Die Historie des Wirkstoffs Ichthyol® beginnt vor 200 Millionen Jahren und ist noch immer aktuell. Produkte mit Ichthyol® haben bis heute eine wichtige Bedeutung, z.B. als Alternative zu Antibiotika und Kortisonen. Seit rund 150 Jahren nutzt die Ichthyol-Gesellschaft die „Kraft aus dem Berg“ für die Entwicklung wirksamer und nachhaltiger Arzneimittel.
Von der Urzeit in die Moderne
Vor 200 Millionen Jahren
Zur Zeit der Dinosaurier ist das Gebiet des heutigen Jura-Gebirges und der Tiroler Alpen von einem tropischen Flachmeer, dem Tethys Urmeer, bedeckt. Über 50 Millionen Jahre lagern sich tierische und pflanzliche Bestandteile auf dem Meeresgrund ab und werden von Sedimentschichten aus Muschel- und Korallenteilchen bedeckt. Unter dem entstehenden hohen Druck bildet sich ein Kalkgestein, das von organischen Substanzen durchsetzt ist – das sogenannte „Ölschiefergestein“. Spuren des Lebens zu dieser Zeit finden sich noch heute im Jura- und Alpen-Gestein – z. B. in Form von fossilen Fischen, Pflanzen oder Fußabdrücken von Sauriern.
Vor 10 bis 2 Millionen Jahren
Die afrikanische Kontinentalplatte bewegt sich nordwärts und faltet mit ungeheurer Kraft die Alpen und die flachen Sedimentschichten des Jura-Gebirges auf. Auch die Ölschiefer-Schichten werden emporgedrückt – im Tiroler Seefeld bis auf 1800 Meter Höhe.
Altertum
Berühmte Ärzte des Altertums, wie Plinius und Galen, erwähnen in ihren Schriften ein vielseitiges Heilmittel, gewonnen aus „Gagatstein“ bzw. „Ölstein“.
1537
Sagenhaftes Tyrsenblut
Um 1500 war Ärzten am fürstlichen Hof zu Innbruck das Seefelder Schieferöl unter dem Namen „Tyrsenblut“ bereits als Heilmittel bekannt. Einer alten Sage nach sind die braunroten Ölschiefersteine vom Blut des Riesen Tyrsus getränkt, der in einem brutalen Zweikampf vom Riesen Haymon erschlagen wurde. Noch heute berichtet ein Fresko aus dem Jahr 1537 an einer Hauswand in Leithen von dieser Sage.
Das Fresko, das den Kampf der Riesen zeigt, wurde im Lauf der Geschichte mehrfach übermalt und schließlich im Auftrag der Ichthyol-Gesellschaft restauriert. Der Text lautet: In diesem Hause wurde im 9. Jahrhundert der bäuerliche Riese Tyrsus geboren. Es lebte zu damaliger Zeit auch der ritterliche Riese Haymon. Die beiden Riesen waren stets im Streit und schließlich wurde Tyrsus im Zweikampf von Haymon getötet. Haymon wurde von Reue befallen und gründete als Sühne das Kloster Wilten, in das er als Büßer eintrat. Tyrsus letzter Ausspruch bei der Flucht über die Berge war: Geh hin du unschuldig Blut und sei für Thier und Menschen gut!
1879
1879 stößt der Chemiker Rudolf Schröter bei Exkursionen im Tiroler Karwendelgebirge auf Ölschiefergestein, aus dem Einwohner der Seefelder Umgebung ein dunkles Öl mit schwefelartigem Geruch erzeugen. Dieses „Dirschenöl“ ist seit langer Zeit als Heilmittel für Mensch und Tier bekannt. Schröters Interesse ist geweckt – er ist überzeugt, dass sich aus diesem Öl Arzneimittel entwickeln lassen. Sein Tatendrang wird belohnt: das von ihm erfundene Verfahren zur Umwandlung des Öles in eine wasserlösliche Form ermöglicht erstmals den Einsatz in pharmazeutischen Salben und Cremes.
Inspiriert durch die urzeitlichen Fossilien in dem Gestein gibt Schröter dem wasserlöslichen Öl den Namen Ichthyol® – hergeleitet aus dem griechischen „ichthys“ für Fisch und dem lateinischen „oleum“ für Öl.
1882
Der berühmte Dermatologe Prof. Dr. Paul Gerson Unna aus Hamburg veröffentlicht seine ersten Therapieerfolge mit Ichthyol® bei der Behandlung von Hauterkrankungen1. Begeistert beschreibt er die entzündungshemmenden, schmerz- und juckreizlindernden Eigenschaften des dunklen Wirkstoffs.
1: Unna, P.G., 1882. IV. Ichthyol: Monatshefte für Praktische Dermatologie. S. 328-333.
1882
Erteilung des Patentes für die Herstellung von Ichthyol®.
1884
Die Kaufleute Hinrich Ahrnold Cordes und Gustav Hermanni gründen gemeinsam mit dem Chemiker Rudolf Schröter in Hamburg die Ichthyol-Gesellschaft Cordes, Hermanni & Co. Die Vermarktung des dunklen Ichthyol® als Wirkstoff in Arzneimitteln beginnt.
1925
Die schwarzen Ichtholan®-Zugsalben werden in den Markt eingeführt. Ichtholan® ist bis heute die meistverkaufte Zugsalbe zur Behandlung von oberflächlichen und tiefen Hautentzündungen, wie z.B. Abszessen2. Auch bei orthopädischen Erkrankungen, wie Arthrose und Sportverletzungen, kommen die schwarzen Salben zum Einsatz.
2: Absatz Apotheken, Insight Health, MAT 06/22
Ichtholan® 50%
Wirkstoff: Ammoniumbituminosulfonat.
Anwendungsgebiete: Ichtholan® 50%, Salbe wird zur Reifung von Furunkeln und abszedierenden Prozessen und zur unterstützenden Behandlung bei Gonarthrose sowie bei Prellung und Verstauchung angewendet. Enthält Wollwachs und Butylhydroxytoluol. Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke.
1933
wird ein weiterer Wirkstoff entwickelt: das helle Ichthyol®. Dunkles Ichthyol® wird aufgrund seiner Tiefenwirkung bei tieferen Hautentzündungen wie Abszessen und auch orthopädischen Erkrankungen eingesetzt. Helles Ichthyol® ist besonders gut zur Behandlung oberflächlicher Hauterkrankungen, wie z. B. Akne, Neurodermitis, Psoriasis und Wunden, geeignet. Im Verlauf der folgenden Jahre entwickelt die Ichthyol-Gesellschaft verschiedene Arzneimittel zur Behandlung von Hauterkrankungen.
21.
Jahrhundert
Bis heute ist die Ichthyol-Gesellschaft zu 100 % im Familienbesitz. Alle Produktionsschritte – von der Gewinnung des Gesteines bis zur Produktion der Arzneimittel, Rezeptur-Produkte und Rohstoffe – sind in Unternehmenshand. Rund 100 Mitarbeiter sind an den drei Standorten Hamburg, Orbagnoux (Frankreich) und Seefeld (Tirol/Österreich) tätig. Die Förderung des Ölschiefers erfolgt heute im französischen Jura Gebirge in einem firmeneigenen Bergwerk. Der verantwortungsvolle Umgang mit der Natur hat hierbei immer oberste Priorität. Im Tiroler Firmenstandort wird das in Frankreich hergestellte Öl zu den Ichthyol®-Wirkstoffen aufbereitet. Das Portfolio umfasst 30 Fertigarzneimittel mit und ohne Ichthyol®-Wirkstoffe, sowie 15 Rezeptur-Grundstoffe. Unsere Produkte werden in der Hamburger Firmenzentrale hergestellt, vermarktet und vertrieben. 2021 wurden 1,7 Millionen Packungen ausgeliefert. Zusätzlich zur Herstellung eigener Produkte beliefert die Ichthyol-Gesellschaft Industriekunden mit Ichthyol®-Rohstoffen, die international zur Herstellung von Arzneimitteln und Kosmetika verwendet werden.
Zukunft
Die Marsmission
Gab es Leben auf dem Mars? Die nächste Marsmission „ExoMars“ der europäischen Weltraumagentur ESA ist in Vorbereitung. Ein Ziel ist herauszufinden, ob es auf dem roten Planeten Spuren von Leben oder sogar ähnliche Urmeere wie auf der Erde gab. Um diese Fragen zu beantworten, hat das Forscherteam das Ölschiefergestein aus dem Ichthyol®-Bergwerk mit modernsten geochemischen Analysen untersucht und wird es als Vergleich für Untersuchungen an Gesteinsmaterial vom Mars verwenden. Der für September 2022 geplante Start wurde aktuell aufgrund der Beteiligung der russischen Raumfahrtbehörde verschoben; ein neuer Starttermin wurde noch nicht kommuniziert.